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Inklusion und Fachkräftesituation in Schleswig-Holstein – Interview mit Frau Grimm von der asf GmbH

Ein Beispiel, wie man das Employer Branding und seine Mitarbeiterpotenziale nutzen kann

Jeannine Grimm (asf GmbH)

Hr. Nowc: Moin Fr. Grimm, mögen Sie sich und Ihr Unternehmen kurz vorstellen?

Fr. Grimm:

Ich bin Jeannine Grimm und jetzt seit 15 Jahren bei der asf GmbH der aye media marketing group, ursprünglich als Personalleitung eingestellt. Über die Jahre habe ich dann verschiedene Bereiche hinzugenommen.

Unsere Unternehmensgruppe ist sehr stark gewachsen. Ich bin damals eingestiegen mit dem 2. Standort, den wir eröffnet haben. Inzwischen haben wir 11 Standorte in Schleswig-Holstein und 2 in Wuppertal. Wir bieten eine klassische Kundenbetreuung der Endkunden im Auftrag von großen Firmen.

Hr. Nowc: Wie gestaltet sich denn aus Ihrer Perspektive die aktuelle Fachkräftesituation in Schleswig-Holstein und wie hat sie sich, aus Ihrer Erfahrung heraus, gewandelt?

Fr. Grimm:

Wir haben früh gemerkt, dass der Arbeitsmarkt immer ungünstiger wird und uns dann einerseits dazu entschieden, uns räumlich zu vergrößern. Städte wie Lübeck, Flensburg usw. sind nicht unbegrenzt groß. Da ist irgendwann ein natürlicher Rahmen gesteckt an Fachkräften, die noch verfügbar sind. Zum anderen haben wir stärker auf weitere Aspekte gesetzt. Zum einen wurde die Ausbildung sehr stark aufgebaut. Wir haben aktuell 38 Auszubildende innerhalb der Unternehmensgruppe, darunter sind auch immer duale Studierende. In erster Linie versuchen wir, auf diesem Weg unsere zukünftigen Kollegen zu entwickeln, was den Vorteil hat, dass sie uns dann schon kennen.

Wir haben vor nun mittlerweile 9 Jahren in Husum eine Kooperation gestartet mit dem dort ansässigen Theodor-Schäfer-Berufsbildungswerk, einem Inklusionsbetrieb. Dieses Thema ist in alle unsere Unternehmen gewachsen. Der Inklusionsbetrieb in Husum hat natürlich einen hohen Anteil an Schwerbehinderten oder beeinträchtigten Menschen, aber auch in allen anderen Firmen bis hin in den Ausbildungsbereich arbeiten wir mittlerweile mit vielen Menschen, die in irgendeiner Form Herausforderungen haben.

Das sind zwei Aspekte, die wir jetzt nicht nur gemacht haben, um an neue Arbeitskräfte zu kommen, sondern um einerseits junge Menschen beim Weg ins Berufsleben zu begleiten, und dann idealerweise sie für uns auch zu binden oder zu gewinnen. Und andererseits Menschen eine Chance zu geben, für die es sonst nicht so einfach ist. Damit fahren wir seit vielen Jahren einfach gut.

Was ich zudem über die Jahre beobachte ist, dass Bewerber und Mitarbeiter heute sehr viel weniger aus sich heraus gebunden sind an ein Unternehmen. Mitarbeiter sind sehr schnell dazu bereit, zu wechseln, wenn sich irgendwo ein anderes Angebot mit mehr Urlaub oder mehr Geld ergibt. Das hat nicht mehr die Verbindlichkeit von früher und wir merken, dass wir viel mehr in Mitarbeiterbindung investieren müssen. Man muss Mitarbeitern heutzutage auch viel mehr bieten, um attraktiv zu bleiben als Unternehmen und sehr viel darüber hinaus machen: Events organisieren, ein Gemeinschaftsgefühl aufbauen, sich um die Mitarbeiter kümmern. Man muss es über andere Leistungen, auch Dienstleistungen, für die Mitarbeiter generieren.

Es ist überall so, dass Fachkräftemangel herrscht. Und wir haben uns über all die Jahre zu einem Arbeitnehmermarkt entwickelt.  Es ist eine Luxussituation für den Bewerber, dass er sich letztendlich aussuchen kann, wo hat es ihm am besten gefällt. Wir sind auch mitten im Prozess, weil man ja permanent lernt, wie man sich für Bewerber attraktiver machen kann. Sei es in Split-Form, dass man Präsenz im Unternehmen und Homeoffice fest vereinbart. Oder, dass man mehr Urlaubstage vereinbart. Das ist sehr unterschiedlich, was die Bewerber anspricht. Aber eine gewisse Flexibilität muss man da heutzutage haben, um die Menschen wirklich zu gewinnen. Es ist nach wie vor ein hoher Invest, den man in einen neuen Mitarbeiter hat. Es zieht sich eigentlich durch alle Stellen durch, auch bei Dienstleistern, Reinigungskräften, Hausmeistern. Das ist Wahnsinn, wie schwierig es ist, gute Leute zu finden, die dann auch eine Weile bei uns bleiben.

Hr. Nowc: Wie reagieren Sie denn auf die Herausforderungen, die sich jetzt durch den Fachkräftemangel ergeben? Das geht ja stark in die Richtung Arbeitgeberattraktivität oder wie es heute so schön heißt: Employer Branding.  Mögen Sie darauf nochmal eingehen?

Fr. Grimm:

Es ist tatsächlich so, dass wir da sehr breit gefächert reagieren und auch versuchen, möglichst flexibel zu bleiben und zu gucken, mit was erreicht man die Menschen gerade. Das geht z. B. mit Präsenz innerhalb der lokalen Umgebung, dass man eine Aufmerksamkeit erzeugt und auch einen Wiedererkennungswert hat. Wiedererkennungswert ist auch ein großes Thema im Vergleich zu vor 15 Jahren. Viel mehr investieren wir heute in einen einheitlichen Arbeitgeberauftritt und die Arbeit mit Slogans. Wir haben mittlerweile e-Autos gebrandet, die unsere Mitarbeiter, entweder für besonders gute Leistungen oder im Rahmen von Mitarbeiterwerbungsaktionen, einen Monat lang auf unsere Kosten fahren können. Wir haben den Vorteil davon, dass durch diese Autos eine Präsenz im Straßenverkehr da ist.

Auch bei unseren Auszubildenden: Sie genießen eine Wertschätzung von Anfang an. Da ist es nicht so, dass erwartet wird, dass bis zum dritten Ausbildungsjahr der Auszubildende standardmäßig den Kaffee bringt. Das ist etwas, was die Menschen erst mit eigenen Augen sehen können, wenn sie bei uns reinkommen. Durch alle Bereiche machen wir es, dass wir unsere Bewerber für 1-2 Tage zum Hospitieren einladen. Mir ist wichtig, dass sie sich ein Bild machen.

Man bietet viele Dinge an, die vorher undenkbar waren. Das Thema Homeoffice ist ein super Beispiel. Erst gab es Bedenken über Bedenken. Und dann wurden wir einfach überholt vom Zeitgeschehen und plötzlich ist das Homeoffice da. Und natürlich hat das am Anfang an der ein oder anderen Stelle gehapert. Es mussten Strukturen geschaffen werden. Aber das hat sich alles eingespielt. Reine Homeofficemitarbeiter muss man dann eben anders binden ans Unternehmen und ein Teamgefühl schaffen. Da sind wir aber gerade bei, dies weiter auszuarbeiten und immer noch besser zu werden. Der Zulauf und das Interesse an diesen Stellen zeigen uns, dass es den Nerv der Zeit trifft. Es gibt viele Leute, die so arbeiten möchten, denen kann man dann auch in bestehenden Standorten gerecht werden. Das ist schon sehr spannend, was da so abverlangt wird, aber es sind letztendlich alles Wege, um diesem Fachkräftemangel zu begegnen. Es ist wichtig, sich da zu öffnen und ein Stück weit den Bedürfnissen der Menschen nachzukommen.

Hr. Nowc: Wie handhaben Sie Fort- und Weiterbildungen? Welchen Stellenwert haben diese in Ihrem Unternehmen?

Fr. Grimm:

Wir haben eine eigene Trainingsabteilung, die sich hauptsächlich um die Ausbildung der Kundenberater in den projektunspezifischen Dingen kümmert, (z.B. Kommunikationsschulungen, Verkaufsschulungen, Beratung / Betreuung der Kunden) und gleichzeitig eine Basic-/Grundlagenschulung für unsere Führungskräfte bietet. Wir haben schon immer gesagt: wir möchten gerne, dass alle Führungskräfte, unabhängig davon in welchem Projekt oder Bereich sie arbeiten, einen gewissen Grundstock von uns mitbekommen, was uns wichtig ist, wo wir Wert drauflegen und wie wir bestimmte Dinge handhaben wollen. Das ist die Basis, von der alles ausgeht.

Nun kann die Trainingsabteilung nicht alles abbilden. Deshalb haben wir darüber hinaus regelmäßige Beurteilungsprozesse, wo unsere Führungskräfte, Mitarbeiter und Auszubildenden gefeedbacked werden, wo jeder standardmäßig einmal im Jahr, auch mit viel Zeit, mit Selbsteinschätzung des Mitarbeiters oder des Auszubildenden, ein Gespräch mit seiner Führungskraft hat.  Dort werden dann auch Perspektiven und Entwicklungsfelder ausgelotet.

Wir sind teilweise schon mal unkonventionell unterwegs und lassen dann jemand nicht einfach so an uns vorbeiziehen und das Potenzial ungenutzt. Das können wir heutzutage nicht mehr. Diese Mischung aus gelernten, gestandenen, sehr erfahrenen Personalern und Kollegen, die neu dazu kommen, die man einarbeitet in die Themen, zum Teil mit internen Ausbildungen, zum Teil auch mit zugekauften Angeboten (wir können natürlich nicht alles abdecken), schätze ich persönlich auch sehr. Mit dieser Mischung fahren wir sehr gut.

Hr. Nowc: Gibt es denn trotzdem noch Herausforderungen/Themen/Bereiche, wo Sie sagen: „Das würde ich gern noch angehen! Da würde ich gerne auch Beratung haben?“ Oder vielleicht wünschen Sie sich zu dem ein oder anderen Bereich auch noch eine Förderung, die es noch nicht gibt?

Fr. Grimm:

Was wir bedauern ist, entgegen der Entwicklung, dass immer mehr Menschen, egal ob in der Ausbildung oder als Mitarbeiter, im psychischen Bereich Herausforderungen haben. Für diese Menschen ist es so, dass sie oft durchs Raster fallen. Es kann auch Minderleistungsausgleiche für Menschen geben, die psychisch beeinträchtigt sind. In der Praxis bekommt man diese Menschen aber nicht zu fassen, weil da teilweise Nachweise zu erbringen sind, die haben diese Menschen nicht. Das ist etwas, was noch unterm Radar läuft. Das Wollen ist da, dass man dafür etwas tun möchte. Und die Statistiken und Studien, die von Krankenkassen jährlich veröffentlicht werden, belegen, dass es immer mehr überhandnimmt.

Das ist etwas, da würde ich mir wünschen, dass das gesellschaftlich, aber auch von politischer Seite her, stärker praxisbezogen umgesetzt wird. Da haben wir dann immer diesen Gap von uns in der Praxis und von dem, was eigentlich Gutes gedacht und gewünscht ist, aber dazwischen fehlt die Brücke.

Hr. Nowc: Von den Maßnahmen und Angeboten, die Sie so umgesetzt haben, gibt es da etwas, was Sie kleineren und mittleren Unternehmen empfehlen könnten? Vielleicht Tipps oder Ratschläge, die Sie mit auf den Weg geben können?

Fr. Grimm:

Was ich wahnsinnig schätze, ist die Zusammenarbeit mit Trägern, mit Bildungsträgern als auch Trägern, die Maßnahmen für die Rentenversicherungen usw. durchführen und die Arbeitserprobungen und Praktika, die wir machen können. Man braucht eine gewisse Infrastruktur, dass man das dann auch anbieten kann. Das sind dann ca. zwei bis vier Wochen, die jemand bei uns ist, um je nach Bedarf des Menschen zu schauen, wieviel kann er überhaupt arbeiten? Was sind die Tätigkeiten, die möglich für ihn sind? Oder auch mal das Berufsfeld erkunden, was er bisher noch nicht kennt. Das empfinde ich als sehr dankbar, weil es dem Menschen überhaupt erstmal die Möglichkeit gibt, ein Berufsfeld kennen zu lernen. Und uns gibt es die Möglichkeit, den Menschen kennen zu lernen. Denn oft ist es doch so, dass ein Vorstellungsgespräch nur ein Eindruck ist.

Und wichtig für mich ist und das würde ich auch gerne jedem mitgeben, der in diesem Bereich einsteigen möchte. Jeder Betrieb sollte sich überlegen: „Was können wir leisten?“. Das ist ganz oft keine Frage des Wollens, sondern auch des Könnens. Ich habe dann mit allen Trägern sogenannte Strategiegespräche gemacht, um einfach abzustimmen, was wir leisten können und was wir leisten wollen, was ist unsere Idee dahinter und dann auch zu gucken, ob es mit den Trägern passt. Das muss man sich vorher ehrlich eingestehen: „Kann ich das? Will ich das?“. Denn sonst ist keinem geholfen.

Hr. Nowc: Dankeschön!

Fr. Grimm: Sehr gerne! Hat Spaß gemacht!

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Das Titelbild wurde durch die asf GmbH zur Verfügung gestellt.

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